Emotionaler Missbrauch
Andrea Ebenhöch • 24. Februar 2023
Emotionaler Missbrauch - eine Form psychischer Gewalt

Emotionaler Missbrauch ist in unserer Gesellschaft leider ein verbreitetes aber oft nicht erkanntes und unterschätztes Problem. Durch die kontinuierliche emotionale Gewalt kann die missbrauchte Person traumatisiert werden. Es kann jedem passieren, egal ob Mann, Frau oder Kind.
Dem Missbraucher geht es dabei um Macht und Kontrolle. Der Täter ist in der übergeordneten Position und übt Macht aus.
Es kann sowohl im beruflichen Bereich, als auch im privaten zu emotionalem Missbrauch kommen.
Die misshandelnde Person ist sich meist nicht bewusst darüber, was sie tut und ist oft selbst traumatisiert. Sie hat keine gesunden Bewältigungsstrategien erlernt und kann deshalb die eigenen Emotionen, wie z.B. Unsicherheit, Ängste, geringes Selbstwertgefühl nicht angemessen verarbeiten. Alles Unbekannte und Andersdenkende sieht sie als Bedrohung ihres Systems. Kritik wird als vernichtend oder als Affront empfunden.
Das führt zu folgenden Verhaltensweisen:
- Kontinuierliche Grenzüberschreitungen in Form von verbalen Angriffen und Beschuldigungen
- Emotionen werden übertragen: Du bist fröhlich und freust dich auf einen schönen Abend zu zweit. Der Partner kommt geladen von der Arbeit und reizt dich so, dass du aggressiv wirst. Dann sagt er ganz ruhig und süffisant zu dir: „Du bist heute aber wieder aggressiv. Du hast echt Probleme.“ So lebst du die unangenehme Emotion für ihn aus und wirst gleich noch dazu mit beschuldigt und gegaslighted, dass angeblich mit dir etwas nicht stimmt, obwohl der Partner der Aggressor war.
- Emotionale Erpressung: wenn du dich nicht verhältst, wie der andere es will, reagiert er mit Liebesentzug oder Bestrafung durch Schweigen
- Drohungen: „Ich verlasse dich.“, „Ihnen wird gekündigt.“, …
- Triangulation: - „Clara tröstet mich immer.(Du nicht)“ - flirten mit anderen im Beisein des Partners - mit einem 3ten über den Partner lästern,anstatt ihn zu konfrontieren - „Frau Müller erledigt ihre Aufgaben schneller als Sie.“ - „Thomas war viel einfühlsamer als du.“ - sich mit anderen im Gespräch gegen das Opfer verbünden
- Manipulation offen oder subtil, der Ton macht hier oft die Musik
- Verbale Aggression
- Kontrollverhalten
- Gaslighting, deine Wahrnehmung wird angezweifelt: „Das bildest du dir nur ein.“ „Du bist empfindlich.“
- Abwertung
- Isolieren von Freunden und Familie
- Mobbing
Psychische Folgen beim Opfer:
- Verwirrung
- gestörte Selbstwahrnehmung
- Geringer Selbstwert
- Selbstzweifel
- Schuldgefühle
- Scham
- Trauer
- Hilflosigkeit/Ohnmacht
- Innere Leere
- Unsicherheit
- Reizbarkeit
- Depression
- Angst / Panikattacken
- Extreme Anpassung
- Traumabonding - ein chemischer Prozess im Gehirn, der Abhängigkeit vom Täter verursacht.
Körperliche Folgen durch erhöhten Stresslevel:
- Erhöhter Cortisolspiegel
- Amygdala ist hyperaktiv - Gehirnbereich, der bei Angst aktiv ist
- Schlafstörungen
- Gewichtszunahme (stressbedingt)
- Bluthochdruck
- Erschöpfung
- Substanzenmissbrauch
- Magen-/ Darmbeschwerden
- Kopfschmerzen
- Rückenschmerzen
Soziale Folgen:
- Isolation und Einsamkeit
- Verringerte Leistungsfähigkeit auf der Arbeit
- Misstrauen
Es ist wichtig, als Opfer den Missbrauch zu erkennen und auch sich die eigenen Hintergründe und Verhaltensweisen bewusst zu machen, die den Missbrauch möglich gemacht haben. Das heißt nicht, dass das Opfer in irgendeiner Weise Schuld am Missbrauch hat! Es hilft aber dabei mehr Selbstwert, Selbstliebe und damit auch gute Grenzen aufzubauen, die vor weiterem Missbrauch schützen.
Die eigenen Grenzen der Opfer wurden oft schon in der Kindheit von Bezugspersonen bewusst oder unbewusst übergangen. Eventuell war auch psychische oder körperliche Gewalt normal. Die eigenen Bedürfnisse wurden nicht beachtet oder hinter denen der Anderen angestellt. Authentisches Verhalten wurde unterdrückt, weil nicht gewünscht. Das führt im späteren Leben oft dazu, dass man sich selbst hinten anstellt und keine Wahrnehmung der eigenen Grenzen und Gefühle hat.
Auch besonders empathische Menschen oder HSP lassen sich oft leicht missbrauchen, weil sie den Schmerz anderer Menschen fühlen und ebenfalls deshalb ihre Grenzen nicht wahren, um andere nicht zu verletzen.
Ein weiterer Punkt kann auch sein, dass man selbst Konflikte nicht gut aushält und lieber still ist, anstatt einen Streit oder eine Meinungsverschiedenheit auszutragen. Es kann dann soweit kommen, dass man seine eigenen Bedürfnisse komplett verleugnet, nur um mit dem Anderen einer Meinung zu sein. Es werden dann für das missbräuchliche Verhalten alle möglichen Erklärungen und Entschuldigungen gefunden.
Durch Traumabonding ist das Opfer auf eine sehr verhängnisvolle Weise an den Täter gebunden und hat große Schwierigkeiten sich aus der Beziehung zu lösen, selbst wenn diese als toxisch erkannt wurde. Auch bekommt es oft wenig Hilfe von außen, weil die Täter häufig charismatisch sind und/oder in der Öffentlichkeit ein tolles Image pflegen. Im Freundes-oder Kollegenkreis wird das Opfer dann als zickig oder überempfindlich abgestempelt, weil die Anderen nicht wissen, was hinter verschlossener Tür passiert.
Ich möchte hier auch den spirituellen Aspekt nicht außen vor lassen. Es handelt sich bei solchen Beziehungen oft um karmische Beziehungen, die uns ermöglichen in diesem Leben Dinge zum Abschluss zu bringen oder Lernerfahrungen zu vollenden, die noch nicht abgeschlossen waren, z.B. einen großen Schritt in Richtung Selbstliebe zu tun oder Verlustangst aufzulösen. Hinter den schlimmsten Erfahrungen liegen oft unsere größten Schätze, auch wenn dieser Satz dem Betroffenen erst mal wie Hohn vorkommt. Aber gerade diese üblen Beziehungen zwingen uns dazu unsere ungeheilten Aspekte zu integrieren.
Das Aufarbeiten dieser Beziehungen ist je nachdem, wie lang sie andauert, oft langwierig. Man muss sich den eigenen Schuld- und Schamgefühlen und negativen Verhaltensmustern stellen und lernen sich selbst zu vergeben. Das alles braucht Zeit, Freundlichkeit und Geduld mit sich selbst und immer wieder Hartnäckigkeit bei Rückfällen in alte Muster. Der Missbraucht muss erkennen, dass er zum Opfer wurde, um das Opferbewusstsein zu entlarven und sich aus dieser Rolle zu befreien.
Es ist meist sinnvoll, sich Unterstützung in Form von Traumatherapie, die den Körper mit einbezieht zu holen (Beispiel EMDR). Kinesiologie, Aufstellungen, Innere Kind Arbeit können die psychologische Betreuung positiv unterstützen.
Vergiss` nie: Du bist wertvoll! Du bist tapfer! Du bist stark! Du darfst Bedürfnisse haben!
DU BIST ES WERT, GELIEBT, GEACHTET UND RESPEKTIERT ZU WERDEN!